Vor rund einer Woche, ab dem 21. August, wurde auf dem Messegelände in Sinsheim eine „Bedarfsorierentierte Erstaufnahmeeinrichtung“ [BEA] des Landes für Flüchtlinge in Betrieb genommen. Die Halle 6 wurde zuvor vom Deutschen Roten Kreuz innerhalb weniger Tage für die Aufnahme von knapp 1000 Menschen vorbereitet. Es mussten die Schlafbereiche, Duschen, Waschmaschinen, Büros für die Leitung und ein Bereich für die Anlieferung von Verpflegung und Bekleidung hergerichtet werden. Ab Freitag kammen die Menschen an und wurden medizinisch untersucht, mit Ausweiskarten, Bettzeug und kleinem Handtuch ausgerüstet und auf die Schlafbereiche verteilt.
Flüchtlinge hatten nichts – außer dem was sie am Leib trugen
Eine Arbeitskollegin von mir engagiert sich ehrenamtlich beim DRK und war letztes Wochenende in Sinsheim im Einsatz. Im Anschluss hat Konstanze einen eindringlichen Aufruf geschrieben, in dem sie bat Bekleidung und Schuhe zu spenden. Denn die Menschen haben Ihrer Flucht über tausende von Kilometern zum Teil zu Fuß zurückgelegt und hatten nichts, außer dem was sie am Leib trugen dabei. Viele Schuhe waren völlig kaputt oder haben gar nicht gepasst. Manche kamen sogar barfuß an. Es erreichten Familien mit Kindern – die Frauen z.T. schwanger – die Notunterkunft. Eine Familie kam mit einem 10 Tage alten Baby an und es gibt nicht wenige Kleinkinder die mit Flaschennahrung und Windeln versorgt werden müssen.
Diesen Appel habe ich auch erhalten und in meinem Umfeld verbreitet. Innerhalb weniger Tage war meine Terasse voll mit Sachspenden – was mich sehr gefreut und beeindruckt hat. Am gestrigen Samstag habe ich mein Auto damit beladen und bin nach Sinsheim gefahren, wo ich mit Konstanze verabredet war. Dank ihres DRK-Ausweises konnten wir problemlos hineinfahren und in den genannten Hintergrundbereich der Halle fahren.
Enorme Hilfsbereitschaft
Dort erwartete mich die zweite freudige Überraschung: Da auch in der Rhein-Nackar-Zeitung aufgerufen worden war, Bekleidung zu spenden, waren bereits Unmengen von Tüten, Kartons und Taschen mit Sachen vorhanden. Die ehrenamtlichen HelferInnen kommen sogar schon mit dem Sortieren nicht hinterher. Aber: an der Ausgabe war weiterhin ein Schlange von Flüchtlingen, die Bedarf an den Sachen hatten. Vor allem Männerschuhe fehlen noch. Und die Bekleidung, die in der Halle in Sinsheim nicht benötigt werden, nimmt das DRK in sein Lager mit, um es an die nächsten Flüchtlinge zu verteilen oder ins Patrick-Henry-Village (eine BEA bei Heidelberg) zu bringen. Es wird also alles im Sinne der SpenderInnen für die bedürftigen Flüchtlinge verwendet.
Es gibt keinen Privatbereich
Konstanze wollte noch eine Familie besuchen und fragte mich, ob ich in den vorderen Bereich der Halle mitkommen wollte. Natürlich war ich neugierig, hatte aber auch Skrupel. Doch in der Begleitung von Konstanze in ihrer DRK-Ausrüstung war es dann völlig in Ordnung und auf vielfältige Weise beeindruckend.
In der Halle sind 990 Menschen untergebracht, damit ist sie vollständig belegt. Mit Bauzäunen wurden einzelne Bereiche abgetrennt, als Sichtschutz dienen einfache Platikplanen. In jeden Bereich sind 12 Betten aufgestellt, eine Möglichkeit den Eingang zu schließen gibt es nicht. In den Gängen sind permanent Leute unterwegs, seien es Flüchtlinge oder HelferInnen. Und nachts wird die Halle durch die Deckenstrahler beleuchtet. An eine Privatsphäre ist also nichtzu denken, geschweige denn an ein Intimspähre. Wir müssen uns das so vorstellen, als ob unser Schlafzimmeran der Straße liegt, keine tür vorhanden ist, die helle Laterne hineinscheint und wir es zudem mit 10 wildfremden Leuten teilen…
Erfreulicherweise wurden zwei, drei Bereiche eingerichtet, in denen die Handys – das einzige Bindeglied der Menschen zu ihren Familien in der Heimat! – aufgeladen werden können. Auch eine „Schule“ und einen Spielbereich gibt – sowie einen Gebetsbereich. Alles nicht optimal, aber immerhin wurde daran gedacht.
Sehr freundlicher Empfang, recht gute Stimmung – aber auch bedrückendes
Konstanze wurde von vielen der Flüchtlinge wiedererkannt und sehr freundlich begrüßt. Insbesondere die jungen Müttern, um die sie sich am letzten Wochenende gekümmert hatte, freuten sich sehr. Auch beim Verlassen des Geländes wurde uns in unseren Fahrzeugen zugewunken. Aber Konstanze wurde auch mehrfrach gefragt, ob es nicht die Möglichkeit gäbe, was zu arbeiten – sie musste dann aber auf die Leitung der Unterkunft verweisen. Und ich habe auch auch einige Menschen gesehen, denen der Horror der Flucht anzusehen war, besonderes eine Mutter mit ihrem kleinen Jungen (ca. 4-5 Jahre) habe ich noch vor Augen – sie suchte das Spielzimmer, welches aber gerade für Unterricht genutzt wurde. Die traurigen Augen von den beiden werde ich noch lange im Gedächtnis behalten.
Insgesamt empfand die Stimmung als überwiegend gut , was aber sicherlich an folgenden Punkten lag: die Flüchtlinge sind erst seit einer Woche hier, der Eindruck, die Flucht nun überstanden zu haben überwiegt. Hier sind sie endlich in Sicherheit, sie können etwas zur Ruhe kommen. (Ja, wirklich sicher sind sie angesichts der jüngsten Anschläge und der vielen Übergriffe hier auch nicht, aber im Vergleich zu den Herkunftsländern in Afrika oder dem nahen Osten ist ein unvergleichlich hoher Schutz gegeben.) Bei meinem Besuch war zudem sehr gutes Wetter, viele der Menschen waren gar nicht in der Halle oder der Unterkunft, sondern im Außenbereich oder in der Stadt Sinsheim unterwegs. Die Leute sind auch noch nicht so lange hier, als dass die durch das Arbeitsverbot bzw. die anschließende Vorrangprüfung erzwungene Untätigkeit und die Ungewissheit bezüglich iher Zukunft ihnen auf die Seele schlagen könnte – das wird leider erst noch kommen (wie wir aus den Unterkünften im Kreis wissen).
Wie geht es weiter?
Es war von vorneherein klar, dass diese Notunterkunft nur für wenige Wochen besteht, die Halle ist in der zweiten Septemberhälfte vermietet. Das bedeutet, dass die Flüchtlinge leider – aber auch zum Glück – in ca. 2-3 Wochen wieder umziehen müssen. „Leider“, da dies erneuten Stress bei Ihnen und den HelferInnen bedeutet, da unklar ist, wo sie hinkommen und ob hier geschlossene Freundschaften erhalten bleiben können. „Zum Glück“, da die Hoffnung besteht, dass sie dann in bessere Unterkünft kommen, sprich in Häuser mit Zimmern, so dass sie wieder ein Stück Privatheit und die Familien vielleicht auch Geborgenheit erhalten.
Daher werden nun Rucksäcke, Koffer und Taschen benötigt!
Ich bitte darum, bei euch in den nächsten Tagen zu schauen, ob ihr entsprechendes entbehren könnt. Ich werde in ca. einer Woche erneut hinfahren und kann dann auch Sachen mitnehmen. Wer spenden mag, kann sich unter der E-Mailadresse hermino.katzenstein@gruene-neckargemuend.de an mich wenden.
Von einer der DRK-Helferin wurde auch einen konkreten Vorschlag zur ergänzenden Verwendung der vielen Spenden gmacht, ich werde mich diesbezüglich im Laufe der Woche an das Landratsamt wenden, um zu eruieren, ob die Idee umsetzbar ist (und dann hier berichten).