Verkehrsverhalten oft Routine

HIRSCHBERG. „Zukunft der Mobilität in der Rhein-Neckar-Region“ hieß eine Veranstaltung, die Grüne Liste Hirschberg und Hirschberger Grüne gemeinsam anboten. Vielleicht brauchte es diesen Regional-Bezug auch, denn wer auf Vorschläge zur Behebung der Ampel-Staus in Großsachsen wartete, wurde enttäuscht: Die neuralgische Kreuzung kam nicht zur Sprache. Stattdessen war die Rede von Radschnellwegen, ÖPNV und Verkehrsvermeidung. Wie Moderator Arndt Weidler überhaupt gleich die Marschroute festlegte: Weg vom Autoverkehr solle es gehen, denn der schade der Umwelt, dem Klima, gefährde Radfahrer und Fußgänger.

Der Abend in der ehemaligen Synagoge war als Podiumsdiskussion angelegt, doch kontroverse Debatten gab es nicht. Landtagsabgeordneter Hermann „Hermino“ Katzenstein begann vielmehr mit einem Lob auf Verkehrsminister Winfried Hermann: „Er macht seine Sache großartig, auch wenn er von Ministerpräsident Winfried Kretschmann hin und wieder eingebremst wird.“ Er informierte über ein neues ÖPNV-Tarifsystem in der Landeshauptstadt, das dazu geführt habe, dass Fahrkarten nicht teurer, sondern billiger wurden.

„Strategien für nachhaltige und soziale Mobilität“ sind dagegen das Forschungsgebiet von Mobilitätsforscherin Jutta Deffner; die Stadt und Regionalplanerin am Institut für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt nahm Verkehrsströme in Augenschein und stellte fest, dass sie nur zu einem Viertel aus Berufspendlern bestehen. Der größte Anteil der Wege werde dagegen in der Freizeit zurückgelegt. „Unser Verkehrsverhalten“, erklärte sie, „ist oft Routine, ein automatisches Programm.“

Sie sah Vorteile in einem „multimodalen“ Verkehrssystem, also einem, bei dem für einen Weg mehrere Verkehrsmittel benutzt würden. „Doch solche Systeme müssen verlässlich sein“, ebenso wie „Carsharing“- Angebote für die Benutzer „wahrnehmbar“ sein müssten, was auf dem Land oft nicht der Fall sei. Hier meldete sich der dritte Gast zu Wort; als Vertreter des Verkehrsclubs Deutschland lobte Manfred Stindl die Flexibilität des Systems: Die Zahl der bereitgestellten Fahrzeuge sei abhängig von der Auslastung. Würden mehr Wagen gebraucht, so könnten sie auch zur Verfügung gestellt werden.

Dann das Thema Radwege: Katzenstein berichtete, dass es künftig Schnellwege in Landes-, Kreis- und Gemeindeeigentum gebe; der jeweilige Träger müsse sie bezahlen und unterhalten, das Land stelle Fördermittel bereit, die bis zu 50 Prozent der Kosten decken könnten. Dass sie oft zugeparkt würden, empörte Stindl: „In Karlsruhe wird sehr aggressiv dagegen vorgegangen.“ Wie überhaupt das Parken auf öffentlichen Flächen kritisiert wurde: Warum nicht Geld dafür fordern? Oder die Leute zwingen, auf ihren Grundstücken zu parken? „Das ist ein Mittel zur Lenkung des Verkehrs“, sagte Katzenstein. Weidler lenkte die Runde schließlich zur Frage einer Verkehrskommission. „Soll sie ein beratendes Organ sein? Wer hat Zugang dazu? Welche Themen werden behandelt?“ Das alles müsse zuvor geklärt werden, regte Deffner an und formulierte: „Denn mancher Runde Tisch ist schon im Sande verlaufen. Die Motivation nimmt ab, wenn die Leute denken, dass sie nichts erreichen können.“ In der Fragerunde, von der die knapp 40 Besucher rege Gebrauch machten, erkundigte sich ein Mann nach der Vermeidbarkeit von Verkehr, gerade im Hinblick auf das Arbeiten zu Hause: Nicht jeder könne das, entgegnete Deffner, und Katzenstein sprach sich für den Breitbandausbau aus, mit dem auch im ländlichen Raum ein Arbeiten am heimischen PC erleichtert würde. Die Hirschbergerin Andrea Müller- Bischoff schnitt mit dem „Bürgerbus“ zuletzt ein weiteres lokales Thema an: Bezahlt und betrieben von Einwohnern, brauche es für das System Bürger, die mitmachten, erklärte Katzenstein. Dann gebe es Unterstützung vom Land. stk

Quelle: Weinheimer Nachrichten, Ausgabe vom 04.05.2019, https://www.wnoz.de/Lokales/Hirschberg/Verkehrsverhalten-oft-Routine-d2821f04-ad22-4ad1-ab51-406b77e3efca-ds