Foto der Tafel an der Tür der ehemaligen Sysnagoge mit wichten Daten zu deren Geschichte, erbaut wurde sie 1831-1832
Foto der Tafel an der Tür der ehemaligen Sysnagoge mit wichten Daten zu deren Geschichte, erbaut wurde sie 1831-1832

In diesem Jahr fand bei der ehemaligen Synagoge in Neidenstein erstmals eine Veranstaltung zum Gedenken an die Novemberprogrome statt.

Die Synagoge wurde 1939 geplündert und entweiht und wurde später landwirtschaftlich (als Scheune) genutzt.

In diesem Jahr gelang es dem eigens gegründeten Verein „Fördergemeinschaft ehemalige Synagoge Neidenstein“ mit Hilfe von Herrn Dr. Orphay die Synagoge zu erwerben.

Sie soll in den kommenden Jahren wieder hergrichtet werden.

Auch bei diesem Termin durfte ich ein kleines Grußwort halten.

Liebe Vertreter*innen des Vereins für Kultur- und Heimatpflege Neidenstein,
Lieber Herr Bürgermeister Gobernatz, Lieber Herr Dr. Orphay,
Lieber Herr Dr. Brandenburg,
Lieber Kollege MdL Dr. Schütte,
Lieber Herr Funk,
Liebe Bürgerinnen und Bürger von Neidenstein,
 
schon bei den Feierlichkeiten zum 700jährigen Jubiläum im Juli habe ich deutlich gemacht, wie sehr ich das Engagement der Neidensteiner für die Erhaltung des jüdischen Kulturerbes schätze. Die Enkelgeneration einstiger jüdischer Bewohner und Bewohnerinnen von Neidenstein hat großes Interesse daran, dass die für immer entweihte Synagoge ein zukunftsweisender Ort wird, an dem sich Menschen in Frieden, in Freundschaft und mit Solidarität begegnen werden. Diesem Wunsch wird mit dem Kauf durch Sie, Herr Dr. Orphay und dem Umbau Rechnung getragen. Herzlichen Dank!

Wir gedenken heute der Neidensteiner Bürger*innen und allen Menschen, die dem mörderischen Regime der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. Die Erinnerung wird maßgeblich auch durch Menschen wie Dr. Edith Wolber wach gehalten, die an einem Buch über das jüdische Leben in Neidenstein arbeitet. Ihre Recherchen in den Archiven zeigen, dass die Täter nicht immer nur von außen kamen:

An der Zerstörung der Neidensteiner Synagoge am 10. November 1938 waren auch Neidensteiner Bürger – als sogenannte SA-Reserve und Mitglieder der Hitler-Jugend – maßgeblich beteiligt, auch wenn die eigentlichen Scharfmacher von außen kamen. Die Spruchkammerakten in den Archiven (darin mussten die „Funktionsträger der NS-Zeit“ ihre Unschuld beweisen) dokumentieren das brutale Vorgehen an jenem 10. November in Neidenstein. Auch wenn es manche Neidensteiner Frauen und Männer gab, die das brutale Vorgehen verurteilten und sich – meist heimlich – hinter die jüdischen Nachbarn stellten und sie über Jahre  mit dem Nötigsten versorgten, blieben ihre Stimmen leise.

Das darf heute nicht mehr passieren, das wird heute nicht mehr passieren, das belegt auch ihr Engagement hier im Ort. Aus Neidenstein fanden mehr als 100 jüdische Menschen den Tod in den Vernichtungslagern, die Überlebenden waren gebrochene und kranke Menschen. Von vielen „Auswanderern“ ist bekannt, dass sie wenige Monate nach Ankunft in der Fremde an Hunger und gebrochenem Herzen verstorben sind.

Die Zerstörung von Synagogen und Wohnungen stand symbolisch für die Auslöschung jüdischen Lebens. Im Gegensatz zu den Konzentrationslagern sollten die „brennenden Synagogen“ für alle sichtbar sein. Dies war der symbolische Völkermord, der dem tatsächlichen um einige Jahre vorwegging. Dieses Gebäude ist also ein Sinnbild dafür, wie leicht es ist, Hass zu säen und damit Menschen auszugrenzen, zu verletzen und zu töten. 

Bei der Gedenkfeier gestern in Waibstadt trugen Schülerinnen und Schüler Augenzeugenberichte vor und mahnten uns so bedrückend aber vor allem beeindruckend, dass wir alle wachsam und aufmerksam sein müssen.

Der Antisemitismus hat leider wieder deutlich zugenommen. Dem müssen wir uns alle entgegenstellen – jederzeit!

Deshalb geht uns alle Antisemitismus an.

Er ist nur eine Ausdrucksform der Menschenfeindlichkeit. Er gefährdet die Demokratie und stellt die freie Gesellschaft infrage. Opfer von antisemitischen und rassistischen Angriffen wissen, dass Ereignisse wie der Angriff auf die Synagoge in Halle, Drohungen gegen Politiker*innen (und da meine nicht nur die extremen Morddrohungen) und die Mordserie des NSU nur die Spitze des Eisberges sind und in einer langen unseligen Tradition stehen.

Wir müssen uns den Faschisten und Rassisten entgegenstellen, jeden Tag, mit aller Kraft und überall. Wir dürfen ihnen nicht die Deutungshoheit über Meinungsfreiheit überlassen und der Argumentation der vermeintlichen Legitimation durch demokratische Wahlen nicht folgen.

Nein, die Meinungsfreiheit ist in Deutschland überhaupt nicht eingeschränkt!

Dass zeigen die zum Teil unerträgliche Postings in den sozialen Medien, dass zeigt die AfD im Landtag. Aber auch Nein, man darf eben nicht alles „nochmal sagen dürfen“. Es gibt Grenzen. Und da meine ich nicht die hohen Hürden des Strafrechts, sondern einfach die der Menschlichkeit, die der Vernunft, die des Anstands.

Wir alle tragen Verantwortung dafür, im Bewusstsein der Vergangenheit mit aller Kraft dafür zu sorgen, dass wir weiterhin in einer gleichberechtigten und vielfältigen Gesellschaft leben können.

Ich danke Ihnen daher für Ihr Engagement, genauso wie auch der Gruppe von Bürger*innen im Ort, die sich in der Vergangenheit für die Verlegung von Stolpersteinen eingesetzt haben und dafür, dass die ehemalige Synagoge nicht weiter dem Verfall preisgegeben wird.

Ich werde mich dafür stark machen, dass das Projekt „Erhalt der Neidensteiner Synagoge“ Unterstützung durch das LEADER-Programm erfährt.

Nochmals,
vielen Dank Herr Dr. Orphay,
vielen Dank liebe Vertreter*innen des Vereins für Kultur- und Heimatpflege Neidenstein.
 
Vielen Dank