Foto von der Gedenkveranstaltung in der Realschule Waibstadt: Blick über die Köpfe der TeilnehmerInnen zur Bühne

Wegen des schlechten Wetters wurde die Gedenkveranstaltung der Projektgruppe „Judentum im Kraichgau“ der Realschule Waibstadt, die jedes Jahr und in Zusammenarbeit mit dem Adolf-Schmitthenner-Gymnasium Neckarbischofsheim am Weil-Mausoleum durchgeführt wird, in die Realschule verlegt. Die Aula war bestens gefüllt.

Ich durfte zu Beginn ein kleines Grußwort halten.

Bewegend fand ich aber die von den Schülerinnen und Schülern vorgetragenen Texte, darunter einen Augenzeugenbericht über die Stürmung und Zerstörung eine Wohnung durch SA-Leute – während die Familie anwesend war und angesichts der rohen Gewalt nur verängstigt auf dem Bett hockte…

Liebe Frau BMin Grether,
lieber Herr BM Locher,
lieber Herr Sauer (Rektor RS Waibstadt),
liebe Frau Mutter (stv. Direktor ASG),
liebe Frau Guttman,
liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste,
 
wir gedenken heute der Menschen aus unserer Region, die dem mörderischen Regime der Nationalsozialisten zum Opfer gefallen sind. Die Zerstörung von Synagogen und Wohnungen in der Nacht des 9. November 1938 stand symbolisch für die Auslöschung jüdischen Lebens.Im Gegensatz zu den Konzentrationslagern sollten die „brennenden Synagogen“ für alle sichtbar sein. Dies war der symbolische Völkermord, der dem tatsächlichen Völkermord einige Jahre vorwegging.

Mit der Erinnerung an diese Geschehnisse rufen wir uns also ins Gedächtnis, wie leicht es ist Hass zu sähen und damit Menschen auszugrenzen, zu verletzen und zu töten. Gerade in den letzten Wochen haben wir gesehen, dass der Hass immer noch da ist und immer mehr Raum bekommt.

Antisemitismus geht uns alle an!

Einige von den Schülerinnen und Schülern erinnern sich sicher noch an den Vortrag von Dr. Michael Blume, dem Landesbeauftragten gegen Antisemitismus hier in der Realschule. Er hat damals sehr eindrücklich aufgezeigt, wie antisemitische Verschwörungsmythen in den verschiedenen Ausdrucksformen wirken. Und einige von Euch haben sich nach seinen Ausführungen sicher kritischer mit Texten deutscher Rapper auseinandergesetzt.

Der Antisemitismus ist nur eine Ausdrucksform der Menschenfeindlichkeit.

Er gefährdet die Demokratie und stellt die freie Gesellschaft infrage. Opfer von antisemitischen und rassistischen Angriffen wissen, dass Ereignisse wie der Angriff auf die Synagoge in Halle, Drohungen gegen Politiker*innen (und da meine nicht nur die extremen Morddrohungen) und die Mordserie des NSU nur die Spitze des Eisberges sind und in einer langen unseligen Tradition stehen.

Herr Blume hat sich übrigens wegen der vielen Hassnachrichten und persönlichen Bedrohungen vor ein paar Tagen von Facebook und Instagram verabschiedet! Ich kann diese Entscheidung verstehen, und hoffe, dass seine Stimme trotzdem laut und für alle zu hören bleibt.

Unsere Aufgabe ist es, uns den Faschisten und Rassisten entgegenstellen, jeden Tag, mit aller Kraft und überall.

Wir dürfen den Rechten nicht die Deutungshoheit über Meinungsfreiheit überlassen und der Argumentation der vermeintlichen Legitimation durch demokratische Wahlen nicht folgen.

Nein, die Meinungsfreiheit ist in Deutschland überhaupt nicht eingeschränkt. Dass zeigen die zum Teil unerträgliche Postings in den sozialen Medien, dass zeigt die AfD im Landtag. Aber auch Nein, man darf eben nicht alles „nochmal sagen dürfen“. Es gibt Grenzen. Und da meine ich nicht die hohen Hürden des Strafrechts, sondern einfach die der Menschlichkeit, die der Vernunft, die des Anstands.

Ich danke Ihnen und Euch daher für Eurer und Ihr Engagement für eine vielfältige und gleichberechtigte Gesellschaft.

Vielen Dank!