Sinsheim. Nun also doch. Es sieht so aus, als könnten Bahn- und Buskunden am Bahnhof weiterhin Fahrkarten und Auskünfte von fachkundigem Personal erhalten. Dies ging am gestrigen Donnerstag aus Informationen des Landesverkehrsministeriums hervor, denen zufolge die Zukunft des besetzten Schalters im Bahnhof gesichert ist. Ursprünglich wollte die Deutsche Bahn AG ihr so genanntes Reisezentrum am 30. Juni 2019 aus Kostengründen schließen und hatte dies der RNZ im Juni schriftlich bestätigt. Seither hatten mehrere regionale Akteure um den Erhalt des Servicepunkts gekämpft. Inzwischen klingt alles ganz anders.
Erster Überbringer der Nachricht war der Grünen-Landtagsabgeordnete Hermino Katzenstein. Der Neckargemünder ist Nahverkehrsexperte; sein Kontakt zum Verkehrsministerium gilt als eng, Landesverkehrsminister Winfried Hermann ist Parteifreund. Es werde im Bahnhof von Sinsheim „weiterhin einen personenbedienten Vertrieb geben“, zitierte Katzenstein gestern Ministeriums-Quellen, die der Redaktion vorliegen. Dort heißt es, dass ein solcher Service „in mehreren Verträgen vorgesehen“ sei, welche es mit der Deutschen Bahn gebe.
Nicht aus dem Papier hervor geht allerdings, ob es organisatorisch bei dem bisher angebotenen Reisezentrums-Modell der Bahn bleibt, auch zur Finanzierungsfrage hält sich Hermino Katzenstein eher bedeckt: „Es gibt Kosten“, sagt der Politiker, „aber es gibt auch Image“. Die Bahn als Betreiber weiter Teile des hiesigen Streckennetzes habe „in jüngsten Jahren nicht immer die beste Performance an den Tag gelegt“, blickt Katzenstein auf „Verspätungen, Ausfälle oder das Kapitel Frankenbahn“.
Dass die in dem Schreiben erwähnten „Personen“ am Schalter nicht zwangsläufig in Sinsheim sitzen müssten – schließlich hatte die Bahn immer wieder Video-Serviceterminals am Bahnhof angekündigt – glaubt Katzenstein nicht: Auch in Villingen-Schwenningen sei ein von der Schließung bedrohter Personen-Schalter am Ende erhalten geblieben. Die touristischen Aktivitäten der Stadtverwaltung und der Sinsheimer Privatwirtschaft, die Rolle der Stadt als Knotenpunkt zwischen Unterland, dem Großraum Mannheim/Heidelberg und Odenwald „und der Austragungsort der Heimattage 2020“ sind für Katzenstein Argumente, die für einen Erhalt sprächen.
Auch die Planungen des „Abellio“-Konzerns, künftig zuständig für einen Teil des Streckenbündels im Großraum, spricht der Abgeordnete an: Von dort wisse man, dass „Abellio“ sich nicht direkt am Bahnhof Sinsheim niederlassen werde, wohl aber ein Vertrag mit einem Betreiber in der Bahnhofstraße unter Dach und Fach sei. Dieser werde ausschließlich Nahverkehrstickets als Agentur verkaufen. Am Bahnhof, sagt Katzenstein, könnten künftig weiterhin „sämtliche Fahrausweisgattungen inklusive Fernverkehr erworben werden“. Bei dem „Abellio“-Agenturpartner in Bahnhofsnähe werde „nach aktuellem Stand alles außer Fernverkehr erhältlich sein“.
„Mit Verwunderung“ aufgenommen wurde die Nachricht vom Verbleib des persönlichen Kartenverkaufs am Bahnhof gestern von Oberbürgermeister Jörg Albrecht: „Ich weiß bislang nur vom Gegenteil“, sagte er auf Nachfrage der RNZ. Sollte ein Erhalt des Angebots tatsächlich unter Dach und Fach sein, begrüße er dies. Zuletzt hatte Albrecht eine Übernahme des umfassenden Ticketverkaufs in ein städtisches Touristik-Zentrum in Erwägung gezogen, falls ein Erhalt des Reisezentrums scheitere.
Ebenfalls nichts vom Verbleib des DB-Reisezentrums wusste gestern Nachmittag Jens-Jochen Roth vom Arbeitskreis Nahverkehr, einer der maßgeblichen Streiter für den besetzten Bahnhofsschalter. Erst vor wenigen Tagen hatten der Arbeitskreis und Roth angekündigt, gemeinsam mit Nahverkehrsbetreibern und Verwaltung, möglicherweise auch der Deutschen Bahn AG, nach Alternativlösungen unter dem Dach mehrerer Betreiber zu suchen. Roth war es auch, der beim 150. Jubiläum der Elsenztalbahn mit Politvertretern bezüglich des Schalter-Erhalts in Kontakt trat. „Das ist eine super Nachricht“, sagte Roth gestern etwas baff.
Gelinde gesagt baff dürfte manchen Verkehrsplaner auch die Reaktion der Deutschen Bahn AG am späten gestrigen Nachmittag auf eine Anfrage der RNZ machen: Darin heißt es, die Schließung des Reisezentrums in Sinsheim zum Juni 2019 sei „zu keiner Zeit geplant“ gewesen. Die Information sei bereits „im Juni/Juli 2018 gegenüber der örtlichen Politik dementiert“ worden. Die Bahn sei „laut Verkehrsvertrag verpflichtet“ einen personenbedienten Verkauf anzubieten.
Quelle: RNZ