„Nehmt die Mäppchen vom Tisch, ihr dürft jetzt eure Tablets auspacken“, sagt der Lehrer in der ersten Stunde Mathematik.
Die Klasse 7b des Max-Born-Gymnasiums Neckargemünd hat Besuch vom Landtagsabgeordneten Hermino Katzenstein (Grüne). Er will sich einen Eindruck vom Schulversuch „Tablets an Gymnasien“ des Landes Baden-Württemberg verschaffen, bei dem neben dem Neckargemünder Gymnasium landesweit 13 weitere Modellschulen den Gebrauch von Tablets in den Fächern Mathematik, Englisch und Geschichte erproben.
Katzenstein stellt sich den Jugendlichen als Mitglied des Landtags und Neckargemünder Stadtrat vor. „Ich habe während meiner Schulzeit an einer Informatik-AG teilgenommen, doch ihr habt ganz neue Möglichkeiten zum digitalen Lernen“, stellt er fest. Die Stadt habe den Schulversuch des Landes mitfinanziert, berichtet er. Auch er hat ein Tablet dabei und erklärt: „Das ist mein wichtigstes Gerät.“
Die Siebtklässler brüten über ihrer Aufgabe: Bei einer Nachtwanderung läuft die Klasse 7a drei Kilometer die Stunde, die 7b fünf Kilometer die Stunde. Wann zieht die 7b an ihrer Parallelklasse vorbei wenn sie eine Stunde später – um 22 Uhr – losläuft?
Die Lösung, die sie zunächst als Koordinatensystem in ihr Heft zeichnen, haben sie gleich parat. „Da wo sich die beiden Geraden schneiden haben wir sie überholt“, stellt ein Schüler fest.
Jetzt geht es darum, diese Graphik mit einem Geometrie-Programm auf dem Tablet darzustellen. Max Schwemlein, der Koordinator des Schulversuchs an der Modellschule ist und neben Mathematik auch Informatik und Physik unterrichtet, lässt die Schüler am Ende der Doppelstunde noch Registerkarten für Mathe, Englisch und Geschichte im digitalen „Notizblock“ anlegen. „Das ist fortan euer digitales Schulheft“, sagt er.
Die Schule wolle IMP, also „Informatik, Mathematik, Physik“, als drittes Profilfach anbieten, erzählt der Pädagoge dem Abgeordneten. Damit würde Informatik von der 7. Klasse an durchlaufen. „Wir brauchen kontinuierlichen Unterricht, denn Informatik ist nicht mehr nur etwas für Nerds sondern für die gesamte Gesellschaft“, betont der Lehrer.
Digitale Bildung und Medienkompetenz erfordern kontinuierliches Lernen – auch über die Schule hinaus, ist er sich mit dem Abgeordneten einig. Zugleich betont er, dass Tablets im Unterricht erst ab Klasse 7 zum Einsatz kommen sollten.
Insgesamt 60 Tablets kommen in zwei siebten Klassen zum Einsatz. Zwei Stunden des wöchentlichen Lehrer-Deputats sind für den Modellversuch vorgesehen. Zunächst geht es darum, die Technik zum Laufen zu bekommen und ein Computernetzwerk aufzubauen. Dabei ist dem Pädagogen wichtig, dass die Daten nur innerhalb des Schulgebäudes gespeichert werden. Später soll die Zeit verstärkt für die Didaktik genutzt werden.
Die Schüler dürfen die Tablets mit nachhause nehmen, wobei laut Schwemlein schon viele Fragen und Probleme aufgetaucht sind. „Zum Beispiel speichern Schüler Daten und finden sie nicht wieder. Das ist spannend zu sehen“, bemerkt der Lehrer. Vorsorglich seien die Geräte mit einem Selbstheilungsmechanismus ausgestattet der sie auf den Zustand der zurückliegenden Schulstunde zurücksetzt.
Mit Blick auf seine Informatikkurse stellt der Pädagoge fest: „Es mangelt an konzeptuellem Denken und Verständnis für Ordnerstruktur. Das muss wieder her, denn nur so erlangen wir die Hoheit über unsere Daten wieder und werden zu digital mündigen Bürgern.“
Mit dem Schulversuch, der wissenschaftlich begleitet wird, hat die Schule fünf Jahre Zeit herauszufinden wie das gehen kann. Später im Gespräch mit Schulleiter Joachim Philipp sagt Abgeordneter Katzenstein: „Es ist gut und wichtig, so Jemanden wie Herrn Schwemlein zu haben.“