Bild: Sabine Hebbelmann
Bild: Sabine Hebbelmann
Wertheim. Soll die Magerwiese auf dem Reinhardshof Naturschutz- oder Gewerbegebiet werden? Zu dieser zwischen dem NABU und der Stadtverwaltung strittigen Frage informierte sich der Betreuungsabgeordnete der Grünen, MdL Hermino Katzenstein, bei einem Lokaltermin in Wertheim.

Zum Treffen auf dem Reinhardshof eingeladen hatte Dr. Christian Ulzhöfer, der mit seiner aktiven Gruppe von Umweltschützern des NABU umfangreiche Untersuchungen auf der „mesophilen Wiese“ angestellt hat. Der ehemalige Truppenübungsplatz der Reichswehr und der US-Army zeichne sich durch einen hohen ökologischen Wert aus, ist Ulzhöfer überzeugt. „Auf den 29 Hektar haben wir 702 verschiedene Tier- und Pflanzenarten gefunden und dokumentiert, darunter viele, die auf der Roten Liste stehen“. Er sei überzeugt, dass noch weitere gefunden werden. Durch seine besondere Lage sei die Magerwiese vor dem Eintrag etwa von Neonicotinoiden aus der Landwirtschaft geschützt. Hierdurch gebe es ungewöhnlich viele Insekten in sehr hoher Dichte. Dies konnte er mit einem kürzlich aufgenommenen Video belegen. Die Stadt Wertheim habe nun jedoch die Absicht, diese Fläche als Gewerbegebiet auszuweisen und damit den Lebensraum für diese Arten unwiederbringlich zu zerstören.

Die NABU-Gruppe äußerte deutliche Vorwürfe gegenüber der Stadt, die Eigentümer der Fläche ist. In den letzten Jahren seien sukzessive ökologische Strukturen vernichtet worden, um zu verhindern, dass der Reinhardshof als Naturschutzgebiet ausgewiesen wird und das Gewerbegebiet zu ermöglichen, vermuten die Umweltschützer. Man habe immer wieder Bäume gefällt oder auch in der Brutzeit gemulcht. Der NABU sei nicht gehört oder nur vertröstet und hingehalten worden. Zusagen habe die Stadt nicht eingehalten. „Wir haben das Vertrauen in die Stadtverwaltung verloren“, so Dr. Ulzhöfer verbittert.

Auf Nachfrage von Hermino Katzenstein berichtete die Gruppe auch über mögliche Altlasten auf dem Gelände. Durch die Schießübungen sei mit einer Bleibelastung und mit Munitionsrückständen zu rechnen. Auch sei dort Hydrauliköl abgelassen worden. Die Natur habe sich von diesen Belastungen jedoch recht gut erholt. Mit einer Petition an den Landtag in Stuttgart hat sich der NABU für den Erhalt der Fläche für den Naturschutz eingesetzt. Als Mitglied im Petitionsausschuss konnte MdL Katzenstein den anwesenden Naturschützern nur bedingt Hoffnung auf Unterstützung aus dem Landtag machen. Der Ausschuss könne prüfen, ob das Verfahren korrekt durchgeführt wurde, jedoch keine inhaltliche Position einnehmen. Wertvoll sei für ihn jedoch die Möglichkeit gewesen, die Situation vor Ort erlebt zu haben. Er sei beeindruckt vom bürgerschaftlichen Engagement der NABU-Gruppe und von der ökologischen Wertigkeit des Geländes. Naturschutz stelle gerade für die Grünen eine Notwendigkeit und keinen Luxus dar.

Um auch die andere Konfliktpartei zu hören besuchte Hermino Katzenstein anschließend in Begleitung von Mitgliedern des grünen Kreisvorstands die Wertheimer Stadtverwaltung. Bürgermeister Wolfgang Stein, Stadtplaner Armin Dattler und der Umweltbeauftragte Jens Rögener schilderten die Bedürfnisse örtlicher Unternehmen nach Erweiterung. Wenn die nicht möglich sei, drohe die Abwanderung der Firmen in andere Kommunen. Am angestammten Platz in Bestenheid sind bis auf wenige Restflächen keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr vorhanden. Deshalb habe man den Reinhardshof ins Auge gefasst. Im Flächennutzungsplan sei er bereits als Gewerbegebiet ausgewiesen. In mehreren Abschnitten sollen nun innerhalb dieses Gebiets Gewerbeflächen erschlossen werden. Die Stadt wolle dabei behutsam vorgehen und nur so viel Fläche erschließen, wie tatsächlich benötigt werde und keine Vorratspolitik betreiben.

Eine Untersuchung durch einen von der Stadt Wertheim beauftragten Biologen habe die vom NABU festgestellte ökologische Wertigkeit des Gebiets bestätigt. Allerdings sei die Fläche nicht einheitlich zu bewerten. Es gebe Bereiche, die weniger wertvoll seien als andere. Man wolle vorrangig die weniger wertvollen Areale nutzen. „14,5 von den insgesamt 29 Hektar sollen nicht angetastet werden“, versuchte Bürgermeister Stein die Bedenken der Grünen zu entkräften. Die Vorwürfe des NABU, in der Brutzeit Bäume gefällt zu haben, habe die Stadt überprüft. Er weise sie als unzutreffend zurück.

Umweltbeauftragter Rögener wies darauf hin, dass für den Eingriff in die Natur eine direkt angrenzende Ausgleichsfläche ausgewiesen werden soll. Es sei nun die Aufgabe der Behörden, im Rahmen der Bauleitplanung nachzuweisen, dass die Funktionalität des Reinhardshofs für den Natur- und Artenschutz erhalten bleibt. Das Bebauungsplanverfahren sei notwendig, um die Entscheidungsgrundlage pro oder contra Gewerbegebiet zu erarbeiten. Damit würden Gewerbegebiete noch keineswegs präjudiziert.

Hermino Katzenstein, selbst langjähriger Kommunalpolitiker, bedankte sich für die wertvollen Informationen, die er auch von den Vertretern der Stadtverwaltung erhalten hat.

Autor: Thomas Tuschhoff