Mit dem Tandem kommen sie beim Treffpunkt in Kleingemünd an. „Die Legislative führt, die Exekutive strampelt“, scherzt Umwelt-Staatssekretär Andre Baumann, der auf Einladung des Grünen Landtagsabgeordneten Hermino Katzenstein das Naturschutzgebiet Streuobstwiesen Kleingemünd besucht.
Das 16 Hektar große Gebiet wurde im September 2013 unter Schutz gestellt. Katzenstein erinnert daran, dass er dem Neubaugebiet kritisch gegenüberstand und lobt den Einsatz von Christoph Aly, der sich, damals noch als zuständiger Referatsleiter im Regierungspräsidium Karlsruhe, für die Ausweisung des Schutzgebietes stark gemacht hatte. Eine wichtige Rolle spielte dabei der Körnerbock, ein fünf Zentimeter großer Käfer, der knorrige Bäume besiedelt und in Deutschland als vom Aussterben bedroht gilt.
„Was für Stuttgart der Juchtenkäfer ist für uns der Körnerbock, wir haben mit dem Naturschutzgebiet einen Schutz für die Streuobstwiesen errichtet“, so Katzenstein. Zugleich freut es ihn, dass sich das Neubaugebiet gut entwickelt hat und der Kindergarten im Passivhausstandard gebaut wurde.
Rund zwei Dutzend Teilnehmer, darunter Anwohner, die Stadträte Winfried Schimpf, Jürgen Rehberger und Giuseppe Fritsch und etliche Aktive von Nabu und BUND erfahren bei einem herrlichen Spaziergang durch die blühende Landschaft viel über den besonderen Stellenwert der Streuobstwiesen und die Herausforderungen ihrer Pflege. Neben Äskulapnatter und Wendehals kommen in dem Gebiet viele weitere seltene Arten vor. Aly verweist auf Giuseppe Fritsch, der einen Hektar Streuobstwiesen im Gebiet sein eigen nennt: „Der weiß sie alle auswendig.“
Als großes Problem bezeichnet der Biologe die Wildschweindichte im nahen hessischen Wald. Die Schwarzkittel graben Schnecken, Regenwürmer und auch die aromatischen Apfelkerne aus und pflügen die Wiesen dabei regelrecht um.
Der Umbruch führe dazu, dass wertvoller Magerrasen zerstört wird, stellt Aly fest und zeigt eine Stelle, wo sich auf dem aufgewühlten Boden Ampfer ausbreitet. Tritt ein Wildschaden auf müsse schnell gehandelt werden. Der Schaden müsse gemeldet und vom Jagdpächter ausgeglichen werden. Außerdem müssten die Wildschweine bejagt werden, damit sie sich wieder in den Wald zurückziehen.
Baumann verweist hierzu auf das 2015 in Kraft getretene baden-württembergische Jagd- und Wildtiermanagementgesetz, wonach Streuobstwiesen ersatzpflichtig wurden. Ausnahme seien Wühlschäden, wenn das Fallobst vorsätzlich liegen gelassen wurde.
Ein Naturschutzgebiet auszuweisen sei nicht trivial, er sei froh und dankbar, dass es gelungen sei, betont der ehemalige Nabu-Landeschef. Fast jeder zweite Streuobstbaum Deutschlands stehe in Baden-Württemberg. Zugleich sei hier seit den 1960er Jahren fast die Hälfte der Streuobstbäume verschwunden. „Dabei bieten Streuobstwiesen auf zwei Etagen eine besondere Artenvielfalt und gehören zu den schönsten Ecken unserer Heimat“, schwärmt Baumann. Um die vielfältigen Kulturlandschaften in Baden-Württemberg zu erhalten, habe die grün-rote Landesregierung beinahe flächendeckend Landschaftserhaltungsverbände (LEV) gegründet, die nun von Grün-Schwarz weiter gefördert würden. „Auch die Naturschutzbehörden müssen personell verstärkt werden, damit die Mitarbeiter rausfahren und in die Gummistiefel schlüpfen können“, so Baumann. „Wir haben in den nächsten vier Jahren noch viel vor.“
Für den hiesigen LEV Rhein-Neckar berichten Nadja Salzmann und Katrin Naumann von ihren Aktivitäten am Dilsberg, wo der Verein eine durchgewachsene Streuobstwiese aufgelichtet, einen Landschaftspflegetag organisiert und im Rahmen der Fachwartausbildung Bäume gepflanzt hat. Ein Schafhalter sorge mit extensiver Beweidung für die weitere Pflege. Die Vorher-Nachher-Aufnahmen zeigen deutlich den Erfolg der Maßnahmen. „Die Vernetzung der Akteure ist das A und O, wir sind auch mit den Jägern im Kontakt“, so Salzmann.
Anwohner Hartmut Idler, der bemängelt, zahlreiche Hundebesitzer ließen ihren Vierbeiner im Naturschutzgebiet laufen, wünscht sich einen Hundeplatz. „Vorsicht, treten Sie nicht hinein!“, mahnt er und deutet auf einen Hundehaufen. Am Trampelpfad fehle außerdem ein Schild, das auf das Naturschutzgebiet hinweist. Da ließe sich bestimmt etwas machen, meint Katzenstein und nimmt die Anregung gerne auf.
Es sei toll, dass der Staatssekretär nicht nur kurz erscheine um dann mit der schweren schwarzen Limousine wieder zu verschwinden, freut sich Aly und Abgeordneter Katzenstein gibt zurück: „Ja, stattdessen kommt er mit dem leichten silbernen Tandem und nimmt sich Zeit.“